Malerei

 

 

 

Magdalena Grandmontagne

Vom Abdruck zum Bild
In meiner Arbeit «vor Ort» treffe ich auf Farberscheinungen, die nur in diesem Erlebnis selbst sichtbar und in ihrer Dauer begrenzt sind. Zu Beginn jedes Abdruckes halte ich eine polierte, neutrale Bleifolie in Händen. Dieses Material hat eine starke Präsenz, durch seine Schwere und durch die zunächst silberfarbige Oberfläche. Die Veränderungen, die das Blei im Laufe seiner Bearbeitung erfährt, sind teils im Material selbst angelegt und teils durch mein Eingreifen hervorgerufen.

Auch die Zeit verändert die Farbigkeit im Material Blei. Zuerst reagiert es oberflächlich auf die Umgebung: auf dem noch unberührten Metall tauchen irisierende, nahezu immateriell wirkende Töne in allen Farben des Spektrums auf. Das Material erscheint hier in seiner lebhaftesten Farbigkeit. Danach bildet sich durch Oxydation ein feiner heller Pigmentbelag, der sehr zerbrechlich ist. Beide Erscheinungen sind vergänglich, Farben der Flüchtigkeit. Schließlich bekommt das Blei eine mattgraue Farbe und verliert seinen Glanz. Ich beobachte diese Reaktionen, kann sie aber nicht beeinflussen. Gewalztes Blei reflektiert auch die Farben der Um- gebung. Diese optischen Erscheinungen verändern sich, wenn ich bei meinen Abdrücken die Oberfläche gestalte: die Dehnungsfähigkeit des Materials erlaubt, aus der Fläche ein Relief zu formen. Je stärker das Relief ist, umso vielfältiger gibt es Helligkeiten und Farbwerte wieder. Wie auf einer Wasseroberfläche tauchen in Nuancen flüchtige Reflexionen von Licht und Farbe auf. In diesen Spiegelungen scheint sich die Oberfläche zu bewegen und füllt sich mit Leben.

An dieses fließende Lichtspiel denke ich, wenn ich später von der Metallmatrize einen Abdruck auf Papier oder Leinwand fertige. Die Erscheinungen, die ich beobachtet habe, will ich im Atelier nachstellen, ich will die Vibrationen der Formen und Farben wiederholen und festhalten.

Immer wieder stoße ich bei meinen Beobachtungen auf bestimmte grau grüne Farbtöne, die organische und mineralische Materie überziehen. Solche Farben entstehen im Laufe der Zeit durch Alterungsprozesse: in der Oxydation von Metallen, im Bewuchs alter Bäume, auf der Oberfläche von Steinen. Diese Grüntöne nehme ich als die Farbe der Dauer in meine Bilder auf.

 

 

 

 

 

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Kalligrafien der Natur
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