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Laudatio zur Eröffnung der Ausstellung
heiße Spur -
tracé à chaud

Galerie Neuheisel, Saarbrücken
8. Juni 2018

von Dr. Andreas Bayer

 

Lieber Benjamin Knur,

 

zunächst vielen Dank für die freundliche Begrüßung und meinerseits auch ein Kompliment zur Einrichtung der Ausstellung, die ich sehr gelungen finde.

 

 

 

Meine sehr geehrten (sehr zahlreichen) Damen und Herren,

 

ich finde es sehr erfreulich, dass Sie hier in so großer Anzahl erschienen sind – es ist sicherlich auch der Wertigkeit des Anlasses angemessen.

 

Wir eröffnen heute Abend unter dem Titel „heiße Spur – tracé à chaud“ eine Ausstellung mit neueren Arbeiten der Künstlerin Magdalena Grandmontage.

 

Es sind insgesamt 47 Werke aus 8 Arbeitsgruppen, die hier gezeigt werden. Alle entstanden in den letzten 1 ½ Jahren. Und es ist natürlich nur ein Bruchteil dessen, was in diesem Zeitraum alles entstanden ist – was uns vor allem eines vermittelt: Magdalena Grandmontagne ist offensichtlich eine sehr fleißige Künstlerin.

 

Wir kennen Sie als Künstlerin und ihre verschiedenen Werkphasen aus den Ausstellungen der vergangenen Jahre in unserer Region. Ich erwähne nur die Ausstellung „Palimpsest“, 2012, im Landtag des Saarlandes oder die Ausstellung im Dillinger Alten Schloss.

 

Und wenn man die zum Teil sehr unterschiedlichen Bildmedien und künstlerischen Strategien der vergangenen Jahrzehnte betrachtet, dann glaube ich, tritt ein übergeordnetes Thema hervor, dass das Werk der Künstlerin bestimmt.

 

Nämlich, dass Magdalena Grandmontagne in ihrer künstlerischen Arbeit seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bildmedien Prozesse der ästhetischen Interaktion verschiedenster Materialstrukturen sowie die Durchdringung von visuellen und haptischen Rezeptionspotenzialen materieller Zustände und Entwicklungen thematisiert.

 

In besonderer Weise verfolgt die Künstlerin diese Aufgabenstellung auch in ihrer aktuellen, von Enkaustikmalerei bestimmten Werkphase.

 

In gleichermaßen grafisch, malerisch wie auch reliefhaft bestimmten Werk-Objekten vollzieht sich eine Auseinandersetzung mit changierenden Materialprozessen und vitaler Transparenz, die durch eine komplexe Schichtung des Werkstoffes lichte Farbräume als sinnlich einnehmende Phänomene generiert.

 

In dieser Ausstellung sehen Sie unterschiedliche Formate mit je unterschiedlicher Akzentuierung des gestalterischen Ansatzes, die in besonderer Weise die spezifischen ästhetische Potenziale des besonderen Gestaltungsmaterials Wachs einerseits ausloten und andererseits für unsere Wahrnehmung erfahrbar machen.

 

Enkaustik, also die Malerei mit Wachs als Bindemittel der Farbe, hat ein bis in die Antike reichende Tradition. Es ist ein sehr aufwändiges Verfahren, da dieses Farbmaterial nur erhitzt im flüssigen Aggregatzustand verarbeitet werden kann.

 

Es ist aber auch eine Technik, in der die im Wachs gebundene Farbe über das Phänomen des Glanzes akzentuiert und leuchtend zur Erscheinung gebracht werden kann – wie uns das Beispiele etwa der römischen Wandmalerei noch immer eindrucksvoll vor Augen führen.

 

Magdalena Grandmontage hat sich das Gestaltungsmaterial Wachs für ihre Werkprozesse angeeignet, fruchtbar gemacht und die Technik der Enkaustik für sich selbst auf eine eigenständige Weise entwickelt.

 

Ich kann hier nur ausschnitthaft auf die hier gezeigten Arbeiten eingehen.

 

Gleich hinter mir sehen Sie drei hochformatige Tafeln – eine Dreierreihe aus dem aktuellen Jahr. Es sind die jüngsten Arbeiten der Ausstellung.

 

Die Titel verweisen assoziativ auf Teile der indischen Küste und nehmen in den verwendeten Adjektiven auch Bezug zur Farbigkeit: ambrée – bersteinfarben, ivoire – elfenbeinfarbig, albatre – alabasterartig.

 

 

Wir sehen Variationen der Oberflächenstruktur und unterschiedliche Formulierungen der Verhältnisse in den Bildarealen.

 

 

Links erkennen wir in zwei Dritteln des oberen Bildfeldes eine organisch anmutende reliefierte Oberfläche, die nach unten hin durch einen Horizont abgeschlossen wird, der zugleich die Grenze zu einem anderen Gestaltungsmodus markiert. Das untere Bilddrittel scheint von einer homogenen Fläche besetzt, die bei näherer Betrachtung allerdings auch wiederum Binnengestaltungen aufweist.

 

Das mittlere Bild zeigt eine Umkehrung der Proportionierung – das obere Drittel ist mit einer Reliefstruktur besetzt, der untere Bereich stellt sich uns zunächst als unartikulierte Fläche dar.

 

Rechts erscheint das reliefierte Areal wie ein Bild im Bild, das von den umgebenden Flächenrändern gerahmt wird.

 

Wenn wir nun die Farbigkeit betrachten, dann stellen wir ebenfalls eine Variation fest. Rechts ein warmer Gelbton – bernsteinfarben; in der Mitte eine Reduktion oder Abkühlung des Kolorits – elfenbeinfarbig; und rechts eine milde Helligkeit – alabasterartig.

 

Vergegenwärtigen wir uns nun noch einmal, um welches Material es sich handelt: Wachs als Werkstoff, der nur heiß verarbeitet werden kann.

 

Magdalena Grandmontagne trägt das heißflüssige Wachs mit einem Pinsel auf den Grund auf. Es muss ein schneller Arbeitsprozess sein um das Erkalten zu verhindern, und das Wachs muss mit einem Heißluftbläser warm gehalten werden.

 

Beim Auftragen mit dem Pinsel bleibt die Materie nicht überall gleich auf dem Grund haften. Hierdurch entstehen erhabene Stellen, die sich beim erneuten Wachsauftrag weiter aufbauen, wohingegen andere, tieferliegende Bereiche nicht mehr vom Pinsel erreicht werden. So baut sich die an „Bläschen“ erinnernde Reliefstruktur auf.

 

Der Flächenbereich wird durch Polieren ausgearbeitet – und im Hinblick auf Wachs bedeutet das, dass die Oberfläche durch Föhnen und Bügeln bearbeitet wird.

 

Alleine aus dieser Beschreibung des Werkprozesses wird schon deutlich, dass sich Magdalena Grandmontagne hierbei einem sehr aufwändigen und sicher auch anstrengenden Verfahren aussetzt.

 

Im Hinblick auf das Kolorit ist bei den angesprochenen Küstenbildern nun aber noch ein Aspekt zu betonen, der diese Arbeiten von anderen Werken der Ausstellung abgrenzt, nämlich eine Farbigkeit die unmittelbar aus dem Werkstoff selbst hervorgeht. Magdalena Grandmontagne verwendet Bienenwachs mit weiteren Zusätzen und bleibt bei dieser Dreierreihe eng an dem gelbtonigen Farbklima, das das von Bienen erzeugte Wachs kennzeichnet.

 

In anderen Arbeiten stellt sich das deutlich unterschieden dar.

 

Dazu muss man wissen, dass Magdalena Grandmontagne sich ihre Palette selbst herstellt.

 

Wenn man sie im Atelier besucht, trifft man auf eine beeindruckende Anzahl von Gefäßen, in denen Wachs in verschiedenen Farben gelagert ist.

 

 

Und im Gegensatz zu den nun ausführlicher besprochenen Küstenbildern zeigen sich andere Werke in einer reichen Farbigkeit, in vielfältiger Modulation und strukturellen Verläufen.

 

 

Hierbei finde ich die Serie der „Inclusions – Einschlüsse“ ganz besonders interessant. Etwa die „Inclusion V“ (das zweite Bild rechts von mir). Hier finden wir eine ausgesprochen lebendige Situation der Durchdringung von farbformaler Gestaltung. Das Wachs in unterschiedlichen Farben wird wie bei einer Malerei mit Öl oder Acryl, auf den Bildträger aufgebracht. Das Wachs kann z.B. mit einem Heißluftföhn noch zusätzlich formal manipuliert werden. Zum Abschluss erfährt das Bild eine Politur, es wird also gebügelt und erhält so seine vereinheitlichende Oberfläche.

 

Das Besondere bei diesem Bild ist aber nun, dass der Farbe Perlmutt beigemischt wurde und eine Schicht Schellack aufgetragen wurde – so entstehen einerseits ein nahezu metallischer Glanz, andererseits sehr delikate, edelsteinhaft irisierende Farbtöne, die das Bild zu einem visuellen Ereignis werden lassen.

 

Mit Beispielen aus der Werkserie „hot cuts – heiße Schnitte“ findet sich eine weitere Gruppe von Arbeiten im hinteren Galerieraum, die ein zusätzliches Gestaltungselement aufweisen. Auch hier wird zunächst Farb-Wachs aufgetragen und poliert und dann wird, wie bei einem Linolschnitt, aus der glatten Oberfläche Materie abgehoben. Es entstehen Einkerbungen, die Spuren in die Oberfläche tragen und die Farbmaterie in Vibration versetzen. Zusätzlich erfolgt ein Auftrag mit schwarzer Tusche, wodurch eine besondere, diffus-dunkle Atmosphäre hervorgerufen wird.

 

Im Zwischengang finden wir die Werkreihe der „Perles – das Geheimnis der Bienen“ (von mir aus an der rechten Wand). In Rahmenkästen vermitteln sich uns aufwachsende Wachstropfen, die wie ich das bereits bei den Küstenbildern beschrieben habe, durch die Überlagerung der Pinselbewegungen erwachsen sind. Und hier erkennen wir auch Farbwechsel in den unterschiedlichen Schichten. Mit der Titulierung „Das Geheimnis der Bienen“ werden Assoziationen an Pollen wachgerufen. Die Rahmenkästen erscheinen gewissermaßen aber auch, in Analogie zu den in der Bakteriologie verwendeten wie Petrischalen, als Areale des ästhetisch-organischen Experiments.

 

Im vorderen Galeriebereich finden wir dann die frühesten Werke, die Magdalena Grandmontagne in der Technik der Enkaustik erarbeitet hat. Vom Eingang her rechts die Serie „couluer à nu – die reine Farbe“, die eng verbunden ist mit bestimmten Formen und Themen der Konkreten Kunst.

 

Licht und Farbe werden veranschaulicht – hier erfolgte zunächst ein Farbauftrag, Acryl auf Holz, der dann von ungefärbtem Wachs überfangen wurde. Das Wachs versiegelt die Malerei und verwandelt die Farbe in mysteriöser Verschleierung, sodass, wie durch einen Weichzeichner, die ursprüngliche Leuchtkraft relativiert wird, andererseits in gewisser Weise aber auch gesteigert.

 

Wenn Sie genau schauen, dann sehen Sie an einem Bildrand noch dort herabrinnende Farbspuren und erkennen die ursprüngliche Erscheinung – dann ist es erstaunlich, wie durch den „Wachsfilter“ ein besonderes Farb-Phänomen generiert wird.

 

Gegenüber drei Arbeiten, die noch am ehesten an eine traditionelle Vorstellung von Enkaustik denken lassen: schwarze, gestische Spuren vor einem neutralen Grund. Aber auch hier vermittelt sich eine besondere Erscheinung durch die Ausbildung eines zarten Reliefs und eine sensible Transparenz der verschiedenen Malschichten.

 

Wir sind nun in der Besprechung der Werke zeitlich zurückgegangen zu den früheren Arbeiten. Aber ich finde, gerade in der angesprochen Polarität von Kolorit und Geste findet sich vieles, was auch für die anderen Arbeiten in der Galerie Neuheisel sichtbar wird.

 

In den gleichermaßen grafisch, malerisch wie auch reliefhaft bestimmten Werk-Objekten von Magdalena Grandmontagne vollzieht sich eine Auseinandersetzung mit changierenden Materialprozessen und vitaler Transparenz, die durch eine komplexe Schichtung des Werkstoffes lichte Farbräume als sinnlich einnehmende Phänomene generiert.

 

Nun wünsche ich der Ausstellung viele Besucherinnen und Besucher, hoffe dass das Wetter in den kommenden Wochen nicht zu heiß wird und diese wunderbaren Arbeiten uns wegschmelzen.

 

Und Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren danke ich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Vielen Dank